Schamanisches Trommeln in der Gruppe erleben
Schamanismus ist das älteste bekannte Heilsystem der Menschheit in allen Kulturkreisen (vgl. Griebert-Schröder, S. 9). Ein Teil dieses Systems ist die Arbeit mit der Trommel, der im schamanischen Weltbild eine eigene Seele zugeschrieben wird. Der Schamane nutzt die Trommel z. B. als Wegbereiter für eine Reise in die „Nichtalltägliche Wirklichkeit“.
Um zu trommeln, muss man jedoch kein Schamane sein. Jeder kann die Kraft der Trommel selbst erfahren.
Beim schamanischen Trommeln wird mit einem Schlegel auf einer Rahmentrommel getrommelt. Vorgaben für einen gemeinsamen Rhythmus gibt es nicht, jedoch wird mit der Ausrichtung auf ein bestimmtes Thema getrommelt.
Dieses wird vom Leiter angeregt oder es ergibt sich aus dem, was einen oder mehrere Teilnehmer gerade beschäftigt. Nahezu alles kann „betrommelt“ werden. Themen, die immer wieder gerne getrommelt werden sind z. B. Liebe, Krafttiere, Frieden oder Wohlbefinden. Jedes Thema wird zwischen 5 und 15 Minuten getrommelt. Während des Trommelns entwickelt sich das Thema für jeden Teilnehmer individuell. Jeder taucht in eigene, meist persönliche Aspekte des Themas ein oder schwenkt auf ein anderes, häufig verwandtes Thema um. Das Thema der ersten Trommelrunde ist „Ankommen, Hier sein“, das der letzten der „Dank“. Die Gestaltung dazwischen ist offen und mit von den Impulsen der Teilnehmer abhängig.
Das Trommeln hebt das eigene Energieniveau sowie das des Raumes an. Wird in der Gruppe getrommelt, insbesondere, wenn mit der gleichen inneren Ausrichtung getrommelt wird, intensiviert sich dieser Prozess. Der Weg in die Nichtalltägliche Wirklichkeit wird geebnet und (Erkenntnis-)Prozesse können beschleunigt werden. Der Leiter stimmt sich auf die Teilnehmer und die Themen ein. Er begleitet und unterstützt durch sein eigenes Trommeln die Runde der Teilnehmer als Ganzes oder gezielt einzelne Teilnehmer. Zudem bittet er gezielt hilfreiche Kräfte und Energien um Unterstützung. Nach jeder Trommelrunde besteht Gelegenheit für eine Rückmeldung der Teilnehmer. Hier können, wenn dies gewünscht wird, vom Leiter oder anderen Teilnehmern weitere Impulse für den eigenen Prozess gegeben werden.
Was geschieht während einer Trommelrunde?
Ein Teilnehmer einer Trommelrunde könnte auf diese Frage z. B. folgendes antworten:
Ich spüre die Resonanz der Trommelschläge im ganzen Körper. Meine Trommel und ich stimmen uns aufeinander ein. Ich spüre, was ich tue. Ich höre, was ich tue. Ich habe eine Absicht, die ich verfolge, das Thema der Runde. Nach und nach stellt sich ein Gefühl von Entspannung ein. Alltagsgedanken schwirren mir durch den Kopf … „Was wollte ich einkaufen? Mein Kollege war heute echt nervig… Hundefutter wollte ich kaufen! Ob es nachher regnet? Ich habe keinen Schirm dabei…“ Ich spüre die Schwingung der Trommel, höre die anderen, höre mich, ich spüre Freude am Trommeln, bemerke, dass ich mit anderen Teilnehmern im Gleichklang trommele, dann „antworten“ wir uns, der Schlegel bewegt sich wie von selbst und ich komme ins Fließen lassen. Wo sind meine Alltagsgedanken geblieben? Eine wundervolle Ruhe stellt sich ein, obwohl die Trommeln nicht gerade leise sind. Mein Bewusstsein kann ich nun auf das Thema der Runde richten und in diesem wundervollen Zustand der Entspannung und der Ruhe fliegt mir fast der Schlegel aus der Hand, mein Trommeln holpert kurz. Im wahrsten Sinne des Wortes kam mir schlagartig eine Erkenntnis – zwar nicht zum Thema der Runde, aber zu einer Frage, die ich schon längere Zeit mit mir herumgetragen habe. Meine Gedanken sind auf einem Weg gewandert, den sie bisher noch nicht beschritten hatten! Ich werde ganz aufgeregt und freue mich, das Trommeln „flutscht“ nur so und – plötzlich ist es für mich zu Ende: Mein Trommelarm wird ganz schwer und bewegt sich wie durch Kaugummi. Ich trommele immer langsamer und höre dann ganz auf. Die anderen machen noch weiter – aber für mich ist diese Runde abgeschlossen und so sitze ich entspannt dabei und genieße die Freunde über meine Erkenntnis.
So oder ähnlich könnte es sein, in einer Gruppe schamanisch zu trommeln.
Was passiert beim schamanischen Trommeln?
Der Klang der Trommel kann in tranceartige Bewusstseinszustände geleiten. Das Erleben in diesem Zustand ähnelt dem im Traum. Das Muster der Gehirnwellen verändert sich von im Alltagsbewusstsein vorherrschenden Beta-Wellen zu vermehrt auftretenden Alpha-Wellen. Dieses Gehirnwellenmuster ist charakteristisch für einen Zustand erhöhter Kreativität. Das Bewusstsein ist sowohl für Gefühle, Intuition und Wahrnehmung als auch für Vernunft und Denken offen. Bilder können vor dem inneren Auge sichtbar werden, Das innere Ohr kann mithören, Gedanken können aufsteigen. Auch Körperempfindungen oder das Wahrnehmen eines Geruchs oder Geschmackes sind möglich. Während im Traum das Bewusstsein bei den meisten Menschen schläft, bleibt es im Zustand der Trance wach. So bleibt die Entscheidungsfreiheit darüber, wie weit jeder Einzelne gehen möchte, jederzeit gewahrt.
Die Trommelklänge tragen uns in die „Nichtalltägliche Wirklichkeit“, eine Ebene der Wahrnehmung und des Erlebens, die im Alltagsbewusstsein nicht oder nur wenig erfahren werden kann. Voraussetzung für diese Art von Erfahrungen ist die Bereitschaft, sich darauf einzulassen – und etwas Übung ist hilfreich. Das sich darauf Einlassen wird durch das Thema der Trommelrunde, zu dem jeder Teilnehmer ja sagen kann, erleichtert. Dieses „ja“ öffnet die erste Tür zu anderen Bereichen des Erlebens.
Was kann schamanisches Trommeln bewirken?
Schamanisches Trommeln kann zur Entspannung beitragen und helfen, Stress abzubauen. Das Trommeln in der Gruppe bietet Kontakte mit Gleichgesinnten und eröffnet ein Forum für intensiven Austausch. Die Erlebnisse während des Trommelns selbst können dazu beitragen, Lösungsansätze für persönliche Problemlagen zu finden, Verstrickungen in eigenen Mustern aufzudecken und persönliche Heilungsprozesse anstoßen und zu unterstützen. Und zu guter Letzt: Trommeln macht Freude und tut einfach gut!
Literatur:
Griebert-Schröder, Vera (2007): Schamanische Bewusstseinsreisen. München: Südwest Verlag.